Mittwoch, 10. September 2008

Längere AKW-Laufzeiten sollen Bürgern 40 Milliarden Euro bringen

Große Versprechungen: Die Abkehr vom Atomausstieg könnte aus Sicht der Unionsfraktion die Bürger um bis zu 40 Milliarden Euro entlasten. Diese Summe sollen Stromkonzerne bei einer Laufzeitverlängerung von ihrer gewonnen Rendite in einen Fonds einzahlen.

Berlin - Die Stromkonzerne sind nach Angaben von CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder bereit, für längere Laufzeiten ihrer Atomkraftwerke rund 40 Milliarden Euro in einen öffentlichen Fonds abzuführen. "Gehen Sie mal davon aus, dass diese Größenordnung abgesichert ist", sagte Kauder am Mittwoch zum Auftakt einer Klausurtagung des Fraktionsvorstands in München. Die Stromkonzerne hätten bereits signalisiert, dass sie bereit seien, von zusätzlichen Gewinnen etwas an die Stromkunden zurückzugeben.

Die Laufzeitverlängerung führt zu einer zusätzlichen Rendite von etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr", sagte Kauder. Bei einer um zehn bis 15 Jahre längeren Betriebsdauer für die noch laufenden 17 deutschen Atomkraftwerke seien dies bis zu 75 Milliarden Euro zusätzliche Gewinne.
Die Union will aus dem 40-Milliarden-Euro-Fonds Energiesparvorhaben und andere Maßnahmen zur Senkung der Stromkosten fördern. Beispielsweise könnten die Subventionen für erneuerbare Energien aus diesem Topf und nicht mehr über die Strompreise mitfinanziert werden. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ist empört über die Idee. Er wirft der Union "puren Atomlobbyismus" vor.
Glos und Gabriel zanken über Emissionshandel
Gabriels Wut richtet sich auch noch gegen einen weiteren Vorschlag aus dem Unionslager: Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) will dafür sorgen, dass ab 2013 deutlich mehr Industriezweige kostenlose Zertifikate für den Emissionshandel bekommen. Dazu sollen unter anderem die Branchen Chemie, Stahl, Kalk, Kali, Zement, Metall, Ziegel, Glas, Papier, Zucker und Textil gehören. Dies würde bedeuten, dass Ausnahmen für bis zu 80 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes der Industrie von rund 100 Millionen Tonnen pro Jahr gälten, verlautete am Mittwoch aus dem Wirtschaftsministerium in Berlin.

Er werde das "auf gar keinen Fall mitmachen", sagte Gabriel. Dies würde zu einer erneuten "Abzocke der Stromkunden" führen, denn mit dem Einstreichen solcher Zufallsgewinne der Konzerne fehle Geld, um das Energiesparen zu fördern. Gabriel will die Ausnahmen vom Emissionshandel auf wenige Bereiche wie Eisen, Stahl und Aluminium beschränken.
Bis Ende dieser Woche werde eine Einigung mit Gabriels Haus angestrebt, hieß es im Wirtschaftsministerium. Bereits am Montag müsse Deutschland gegenüber der französischen Ratspräsidentschaft seine Pläne vorstellen. Die EU-Kommission will bis Jahresende die Regeln für den Handel mit den CO2-Papieren bis 2020 unter Dach und Fach bringen.

Gabriel hat sich in dem Streit Unterstützung seitens der IG Metall gesichert. Der SPD-Politiker verkündete am Mittwoch eine klimapolitische Allianz mit der Gewerkschaft. In einer gemeinsamen Erklärung fordern Gabriel und die IG Metall, vor allem die Stromwirtschaft beim Klimaschutz hart ran zu nehmen, während das produzierende Gewerbe Vergünstigungen genießen soll. Begründung: Die Produktion soll nicht ins außereuropäische Ausland verlegt werden, wo dann ohne Beschränkung Klimagase ausgestoßen würden.
Die Allianz soll Gabriel zufolge helfen, die deutschen Forderungen auf EU-Ebene durchzusetzen. Anspruchsvolle Klimaschutzziele müssten mit "den Belangen der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft" unter einen Hut gebracht werden. "Es wäre sehr zu begrüßen, wenn sich auch andere Akteure - wie etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie - dieser Allianz anschließen würden", forderte der Umweltminister.

ase/AP/dpa-AFX

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