Sonntag, 21. September 2008

Explosive Lage in Köln

Der Anti-Islamisierungskongress sollte eine der größten rechten Kundgebungen seit Kriegsende werden. Kurz vor Beginn sagte die Polizei das Treffen ab. Nun wollen die Islamgegner vor Gericht ziehen
in Köln
Da brüllt er wieder. "Deutschland ist kein freies Land!" skandiert Mario Borghezi von der rechtsextremen Lega Nord, im Europaparlament als Schreihals bekannt. "In Italien hätte sich die Polizei den Autonomen niemals gebeugt!" Borghezi, vorbestraft wegen Brandstiftung, weil er einst die Lager von Einwanderern anzündete, steht auf dem Kölner Heumarkt, vor ihm etwa 50 Anhänger der Bürgerbewegung Pro Köln. Doch der angekündigte Anti-Islamisierungskongress, auf dem der italienische Übervater der Rechtsextremen der Starredner werden sollte, findet nicht statt. Ein Plakat der Veranstalter mit dem Slogan "Stop Islam" baumelt an einer Häuserwand.
Gerade ist die Nachricht durchgedrungen, dass die Polizei die angekündigte Kundgebung der rechtsradikalen Wählervereinigung abgesagt hat, weil die Sicherheit der Teilnehmer nicht garantiert werden könne. Die Zugänge zum Kundgebungsplatz sind versperrt. Linksautonome haben ringsherum Blockaden errichtet und die Polizei angegriffen. Schlagstöcke und Pfefferspray kamen zum Einsatz, eine "so explosive Lage" sei entstanden, dass die Beamten nach eigener Einschätzung weder die Unversehrtheit der Rechtsradikalen noch die der Bürger hatte garantieren können. "Die Sicherheit unserer Kölner geht vor", sagte ein Polizeisprecher. "Wir können jetzt nicht zusehen, wie ein paar Hundert Besucher dieser Veranstaltung sehenden Auges in eine Schlägerei reinrennen." Jubel dringt aus den Gassen hinter den Barrikaden.
Auf dem Domplatz, wenige Hundert Meter entfernt, hatten sich mehrere Tausend zu einer friedlichen "Demonstration gegen Rechts" versammelt, die sonst wenig gemeinsam haben. Die SPD schwenkt ihre roten Fahnen neben der Linkspartei, den Kommunisten der DKP und der Gewerkschaft der Polizei. Daneben Vertreter katholischer Kirchengemeinden. Sie sehen in dem Kongress die größte rechte Kundgebung in Köln seit Kriegsende, bei der unter dem Deckmantel der Islamkritik Stimmung gegen Ausländer gemacht werden soll. Auch der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) trat auf, erleichtert über das Verbot. "Es ist ein Sieg der Stadt Köln, ein Sieg der demokratischen Kräfte dieser Stadt", sagte er. Am Kölner Flughafen saßen rund 150 Anhänger europäischer nationalkonservativer Parteien fest, die den Kongress organisiert und finanziert hatten: Vertreter der belgischen Vlaams Belang, der österreichischen FPÖ, der italienischen Lega Nord und der französischen Front National.
Ihr Ziel war es, an diesem Wochenende einen Grundstein zu legen, um eine große rechtspopulistische europäische Partei zu gründen mit einer Bruderpartei Pro Köln, die sich als eine Partei Pro Deutschland etablieren soll. Doch ein "deutsches Standbein" zu gründen, wie es Filip Dewinter, Fraktionsvorsitzender der Nationalistischen Vlaams Belang, ausdrückte, scheint offenbar schwieriger als gedacht. Keiner der Organisatoren hatte mit einem solch großen Widerstand gerechnet.
Was der eine als Engagement und Zivilcourage der Kölner feierte, kritisierte der andere als Einschränkung der Meinungsfreiheit. "Ein Kongress im Sinne einer sachlichen Auseinandersetzung um die Frage Islamismus findet doch gar nicht statt", sagt eine Vertreterin des Zentralrats der Ex-Muslime. "Wir sind gar keine Rechtsradikalen", sagt Rentner Theo Kerp aus Köln Ehrenfeld, dem Stadtteil, in dem die Moschee gebaut werden soll. "Aber wir machen uns Sorgen um unsere Nachbarschaft, aber das darf man doch hier gar nicht laut sagen. Islamkritiker werden gleich als Nazis abgestempelt."
Pro Köln will sich nicht mit der Absage der Polizei zufriedengeben und nun gerichtlich durchsetzen, dass die Kundgebung später stattfinden kann. "Wir wollen vom Verwaltungsgericht möglichst schnell feststellen lassen, dass der polizeiliche Notstand widerrechtlich verhängt wurde. Dann machen wir eine Neuauflage des Anti-Islamisierungskongresses", erklärte der Schatzmeister von Pro Köln, Manfred Rouhs. Die Polizei habe seit Langem gewusst, dass einige Zehntausend Gegendemonstranten auftauchen würden, und hätte für ausreichend Sicherheit sorgen müssen. Die Kommunalwahl 2009 im Kopf, wolle Pro Köln sein Ziel erreichen und die Stimmen der Moscheegegner auf sich vereinen - also das tun, was Kritiker ihnen vorhalten: die Ängste vor einem politischem Islamismus für Wahlkampfzwecke mobilisieren.

Quelle: welt.de

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