Dienstag, 16. September 2008

Die reichen Kleinen aus dem tiefen Osten

Dank millionenschwerer Mäzene spielen Klubs wie Bate Borissow (Weißrussland) und CFR Cluj (Rumänien) plötzlich in der Champions League

Berlin - Da sage noch jemand, Fußball würde nicht bilden. Den Stars der Champions League steht in dieser Saison eine umfangreiche Schulung in Geografie bevor. Die Herren van der Vaart, van Nistelrooy und Raul von Real Madrid werden das Vergnügen haben, Weißrussland zu bereisen und dort gegen Bate Borissow zu spielen, während die Kollegen vom AS Rom und FC Chelsea die schöne Stadt Cluj in Transsilvanien kennenlernen werden, immerhin die drittgrößte Ortschaft Rumäniens.
Die Landkarte des europäischen Fußballs wird in diesem Jahr von zwei weißen Flecken befreit. Bate Borissow und der CFR Cluj treten erstmals in der Champions League an und wollen dort den Großen Paroli bieten. Zwei Vereine, von denen bisher nur Liebhaber der osteuropäischen Fußballszene Kenntnis hatten. Das wird sich ändern. Dank finanzstarker Mäzene sind immer mehr osteuropäische Vereine in der Lage, mit den etablierten Klubs mitzuhalten. Heute gibt Borissow seinen Einstand in der Königsklasse an würdiger Stätte, dem Estadio Bernabeu in Madrid. Gestern trat Cluj im Olympiastadion in Rom an (nach Redaktionsschluss).
Cluj, mit insgesamt 23 international weitgehend unbekannten Legionären im Kader, qualifizierte sich als rumänischer Meister direkt für die Gruppenphase der Champions League. Es war der erste Titel überhaupt in der Vereinsgeschichte, der gleich noch mit dem Gewinn des Landespokals gekrönt wurde. Zuvor war der CFR, Abkürzung für die staatliche Eisenbahngesellschaft, 2007 in der Qualifikation für den Uefa-Cup an Anorthosis Famagusta (Zypern) gescheitert, die in dieser Saison ebenfalls in der Champions League spielen.
Der Gewinn des Doubles schützte Clujs Erfolgstrainer Ioan Andone allerdings nicht vor der Entlassung. Als er nach sechs Partien der laufenden Saison nur zwei Siege vorweisen konnte, ersetzte die Vereinsführung ihn durch seinen Assistenten Maurizio Trombetta. Dessen Möglichkeiten werden in Zukunft enorm sein. Dank des Unternehmers Arpad Paszkany und seiner Firma Ecomax (Automobilindustrie), die seit 2002 in den ehemaligen Eisenbahner-Klub investiert, wird derzeit das Stadion auf 25 000 Plätze ausgebaut. Insgesamt will Paszkany 100 Millionen Euro in den Verein pumpen.
Auch Bate Borissow verdankt seinen Aufstieg in die Eliteklasse einem Mäzen. Anatoli Kapski handelte erfolgreich mit Autos und ist heute der starke Mann bei Bate. Der Präsident ließ ein Stadion bauen, das mit rund 5000 Plätzen allerdings nicht der Uefa-Norm für die Champions League entspricht. Also ziehen die Weißrussen für ihre Heimspiele in der Gruppe H nach Minsk um, das wenige Kilometer südwestlich von Borissow liegt. Dort empfangen sie mit Real Madrid, Juventus Turin und Zenit St. Petersburg drei echte Schwergewichte, gegen die jeder Punktgewinn ein Riesenerfolg wäre. "Die bloße Teilnahme ist bereits der größte Erfolg unserer Vereinsgeschichte. Aber wer weiß, was noch alles kommt", sagte Präsident Kapski.
Bereits in der Qualifikationsphase sorgte Borissow für Furore. Erst wurde Valur Reykjavik besiegt, dann der RSC Anderlecht ausgeschaltet. In Runde drei besiegte die Mannschaft von Trainer Viktor Goncharenko Lewski Sofia. "Ich habe das nicht nur einmal gesagt, aber ich wiederhole mich mit Vergnügen: Wir haben eine tolle Mannschaft mit großem Potenzial", sagte Goncharenko stolz. Tatsächlich dürfte sein Team noch von sich reden machen: Borissows Kader ist mit Talenten reich bestückt, von den 28 Spielern im Kader sind nur drei in den siebziger Jahren geboren, die meisten nach 1985.
Sogar einen Weltstar hat Bate Borissow bereits hervorgebracht. Im Jahr 2000 transferierte Präsident Kapski ein damals 19-jähriges Talent namens Alexander Hleb für 150 000 Euro zum Bundesligisten VfB Stuttgart. In diesem Jahr wechselte er für die hundertfache Summe von Arsenal London zum FC Barcelona, die Katalanen zahlten 15 Millionen Euro für ihn.

Quelle: welt.de

Keine Kommentare: