Freitag, 22. August 2008

Chodorkowski bleibt in den Fängen des Kreml

Illusionen hat sich der 45-jährige Michail Chodorkowski vor dem Gerichtstermin nicht gemacht. Und er hatte offenbar recht. Die Richter erließen ihm den Rest seiner Strafe nicht. Dabei ist die Urteilsbegründung denkwürdig: Der einst reichste Russe habe im Gefängnis keinen Beruf erlernt, was zeige, dass er nicht geläutert sei.

Ob der Präsident Putin oder Medwedjew heißt, was macht das im Fall Chodorkowski für einen Unterschied? Keinen. Dem ehemalige Chef des Yukos-Erdölkonzerns und einst reichsten Mann Russlands wird der Rest der Strafe auch jetzt nicht erlassen. Freigekommen wäre er allerdings auch dann nicht, da er noch in einem zweiten Fall angeklagt werden soll.

Am Freitag lehnte ein Gericht in der sibirischen Stadt Tschita, 5000 Kilometer von Moskau entfernt, den tags zuvor eingereichten Antrag auf vorzeitige Haftentlassung auf Bewährung ab. Chodorkowski hat inzwischen fast fünf der ihm "aufgebrummten“ acht Jahre verbüßt. Das Gesetz in Russland bietet die Möglichkeit, nach der Hälfte der abgesessenen Zeit auf Bewährung freizukommen. Präsident Dmitri Medwedjew, der angeblich so liberale Mann im Kreml, hatte bei seinem jüngsten Besuch in Deutschland vor beunruhigten Politikern und Wirtschaftsgrößen extra darauf hingewiesen, dass Chodorkowski wie jeder andere Bürger Russlands das Recht darauf habe, einen derartigen Antrag zu stellen.Der wurde nun abgelehnt, wobei die Begründung als ein weiteres Kabinettstückchen russischer Rechtsprechung gelten kann. Chodorkowski habe während seiner Knastzeit keinen Beruf erlernt, daraus müsse der Schluss gezogen werden, dass er sich nicht auf dem Wege der Besserung befinde, befanden die Richter. Chodorkowski war zeitweise in der Näherei des Gefängnisses beschäftigt. Vielleicht hätte sich der Mann, der ein Milliardenimperium aufzubauen im Stande war, sich um einen Berufsabschluss als Näher bemühen sollen.Russlands prominentester Häftling blieb erstaunlich gelassen ob der Gerichtsentscheidung. Das Justizwesen – Präsident Dmitri Medwedjew hatte dessen grundlegende Reform angekündigt – werde eben nicht so schnell umgestaltet, den Spruch der Richter habe er erwartet. Auch sein Anwalt Juri Schmidt räumte ein, keine Illusionen gehabt zu haben. Er kündigte an, er werde Berufung einlegen.Ehemalige Yukos-Mitarbeiter verfolgen die Entwicklungen mit großer Aufmerksamkeit. Viele von ihnen wurden nach der Festnahme ihres Chefs ebenfalls vor Gericht gestellt. Chodorkowskis vorzeitige Entlassung oder Begnadigung, so hoffen sie, könnte auch ihr Schicksal positiv beeinflussen.Chodorkowski hat sich nie Schuldig bekanntChodorkowski hatte sich immer als unschuldig betrachtet und die faktische "Enteignung“ seines Konzerns zugunsten der Staatsunternehmen Rosneft und Gazprom für nicht rechtens angesehen. Dennoch werde er, sollte er irgendwann frei kommen, keine juristischen Schritte gegen die beiden Staatskonzerne unternehmen, sagte er in einem Interview mit der Zeitung "Wedomosti“, das am Freitag veröffentlicht wurde. "Das Erdölthema gehört für mich bereits der Vergangenheit an, und ich mag es nicht zurückzuschauen, weil das unproduktiv ist“. Das ließe sich auch als Signal an beide Unternehmen interpretieren, dass eine Freilassung des einstigen Ölmagnaten ihnen keinen Ärger bereiten werde.Eine der Bedingungen für eine vorzeitige bedingte Entlassung aus dem Gefängnis war die Forderung an Chodorkowski, er solle zum Zeichen dafür, dass er sich geläutert habe, eine Schadenskompensation von zehn Milliarden Dollar zahlen. Diese Forderung entbehre heute, da die gesamten Aktiva von Yukos in die Hände von Staatsunternehmen übergegangen sind, jeder Grundlage, sagte der Häftling Nr. 1 der Zeitung. Das begreife jeder, doch "die Leute, die den Yukos-Fall organisiert haben, fürchten sich davor, mich in Freiheit zu sehen und unternehmen deshalb alles, damit ich im Gefängnis bleiben muss“. Bei früherer Gelegenheit hatte Chodorkowski mehrfach den Vize-Premier Igor Setschin als Drahtzieher in seinem Fall genannt. Setschin, ein enger Vertrauter von Premier Wladimir Putin, war während Putins Zeit als Kremlchef Vizechef der einflussreichen Kreml-Administration.
Chodorkowski räumte ein, dass es ihm heute wegen der vergeudeten Jahre leid tue, sich nicht vor der Verhaftung ins Ausland abgesetzt zu haben. "Aber ich konnte einfach nicht anders handeln“, er habe seinen damals bereits verhafteten Geschäftspartner und Freund Platon Lebedjew nicht fallen lassen können.

http://www.welt.de/politik/arti2361625/Chodorkowski_bleibt_in_den_Faengen_des_Kreml.html

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