Sonntag, 1. März 2009

Der Wiederaufbau kostet 2,8 Milliarden

Jerusalem. Endlich ist er da, der in Nahost so ersehnte Regen. Doch für tausende Ausgebombte in Gaza bedeutet er zusätzliche Härten. So auch für Suad Abed Rabbo, die mit ihrer Familie am Rande von Dschabalja lebt. Ihr Haus liegt in Schutt und Asche nach der israelischen Offensive im Januar. Um Brot backen zu können, so hat Suad Abed Rabbo es Helfern vom Internationalen Roten Kreuz (ICRC) geschildert, schickt sie in Herrgottsfrühe ihren Sohn Nasser los. Der sammelt Pappkartons und Holzreste von der Straße, damit die Mutter die Kochstelle anfeuern kann. Im Regen aber ist kein brennbarer Müll zu finden.

Und auch jene, die noch ein eigenes Dach über dem Kopf haben, bibbern. Viele Häuser sind ohne Fenster. Plastikfolien zum notdürftigen Abdichten halten den Sturmböen nicht stand. Glas ist nur auf dem Schwarzmarkt zu kriegen und teuer. Die Hamas hat damit kein Problem. Die zerborstenen Fenster der Islamischen Universität, die gerade ins neue Semester startet, sind repariert.
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Tausende Häuser zerstört

Die Kriegsfolgen gehen eindeutig zu Lasten der Zivilbevölkerung. In Zusammenarbeit mit dem Roten Halbmond hat das ICRC in Gaza 2800 komplett zerstörte und 1900 schwer beschädigte Wohnhäuser aufgelistet. Außerdem sind durch Beschuss 690 Industrieanlagen ruiniert. Der Gesamtschaden dürfte noch größer sein, weil Zehntausende Gebäude Treffer abbekamen ist. Hinzu kommt kaputte Infrastruktur, wie Straßendecken, die von Panzerketten aufgerissen wurden, eingestürzte Brücken und zerstörte Agrarfelder, ganz zu schweigen von Rehabilitationskosten für Schwerverletzte. Die von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas eingesetzte Autonomieregierung in Ramallah hat ausgerechnet, dass 2,8 Milliarden US-Dollar für Wiederaufbau und Begleithilfen erforderlich sind. Die Bilanz beruht auf Zahlen der Weltbank, UN sowie Nichtregierungsorganisationen, da die Fatah keine eigenen Stellen in dem von der Hamas beherrschten Gazastreifen unterhält.

Die internationale Geberkonferenz, die auf Einladung der Ägypter am Montag in Scharm el Scheich zusammenkommt, wird das Geld schon auftreiben. Finanzkrise hin oder her: Wer zahlt, sichert sich die Chance, den Einfluss Irans in dieser Region zurückzudrängen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) kündigte vor seinem Abflug zu der Konferenz an, Deutschland werde sich an den gemeinsamen Wiederaufbauanstrengungen "substantiell beteiligen". Nach Informationen aus Delegationskreisen hat Steinmeier ein Hilfspaket von "deutlich mehr als 100 Millionen Euro" für 2009 im Gepäck. Das Geld soll der palästinensischen Autonomieregierung zur Verfügung gestellt werden. Die USA wollen 960 Millionen Dollar in den Wiederaufbau investieren. Die EU winkt mit 436 Millionen Euro. Den Rest dürften die Saudis und arabische Staaten rüberschieben. Schon deshalb wird Israel kaum herangezogen werden, als Kriegspartei den Schaden mit zu begleichen.

An Geld dürfte der Wiederaufbau nicht scheitern, eher an der Umsetzung. Bislang lässt Israel nur einzeln aufgelistete Güter nach Gaza rein. Selbst Nudeln waren bisher tabu, wie der US-Demokrat John Kerry bei seinem Gaza-Besuch herausfand. Erst auf sein Betreiben hin durfte eine Spaghetti-Ladung durch. Ohne offene Grenzen für den Aufbau, langfristigen Waffenstillstand sowie eine akzeptierte Aussöhnung zwischen Hamas und Fatah hat Gaza keine Zukunft. Norwegen plant denn auch eine Folgekonferenz zu Scharm el Scheich. Spätestens dann sollen die Israelis dabei sein.

Olmert droht Palästinensern

Doch nach neuen Raketenangriffen militanter Palästinenser drohte der scheidende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert am Sonntag mit einer harten Reaktion Israels. Er kündigte zu Beginn der wöchentlichen Kabinettssitzung eine "schmerzhafte und kompromisslose Antwort" an, sollte der Raketenbeschuss weitergehen.

In der Nacht hatten militante Palästinenser im Gazastreifen erneut eine Rakete auf Israel abgefeuert, die südlich der Küstenstadt Aschkelon einschlug. Seit Freitag seien elf Raketen auf Israel abgeschossen worden, sagte ein israelischer Armeesprecher am Sonntag. Seit Ende der blutigen israelischen Militäroffensive im Gazastreifen am 18. Januar hätten militante Palästinenser mehr als 120 Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert.
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